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Unter der Rubrik "Fundstücke" stellt unser Mitglied Christine Hieber, bekannt als maritime Autorin und lamgjährige Ausbildungsoffizierin auf der Viermastbark KRUZENSHTERN, interessante Geschichten zusammen, die irgendwie mit der PEKING oder anderen Flying-P-Linern zusammenhängen.

PAMIR in Memoriam

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In Memoriam Viermastbark „PAMIR“
Gesunken im Nordatlantik am 21. September 1957
80 Tote – 6 Überlebende

Die Bronzetafel in der Hamburger Katharinenkirche listet sie alle auf, die jungen und die alten Männer, die mit der PAMIR ihren Tod fanden, eines von vielen Denkmälern für die verlorenen Leben und das verlorene Schiff. Die Fakten dieser Tragödie finden sich in den Akten des Seeamtes Lübeck, der „Stiftung Pamir und Passat“, der Korrespondenzreederei Zerssen, des Anwaltes für Seerecht Dr. Horst Willner, der den Fall noch einmal akribisch untersuchte. Die Akten sprechen aber nicht von derKatastrophe, die der Untergang der PAMIR für die Familien der toten Seeleute bedeutete. Sie sind schon 62 Jahre tot, doch ihr Tod beeinflusst die Lebenden noch heute. 80 ausgelöschte Leben, das bedeutet 80 Familien, hunderte von Menschen, dazu noch die, die bei der Stiftung und bei der Reederei unmittelbar mit der PAMIR befasst waren und sich den Rest ihres Lebens fragen mußten, ob sie alles getan hatten, dieses Unglück zu vermeiden.Über die Familien der Toten wird selten gesprochen. Auch nach dem Untergang der PAMIR erzählt nur einer davon, ein Mann, der sich selbst das Pseudonym „Pitt“ gibt und in seinem Buch „Die Pamir, der Kapitän und der Kadett“ genau darüber schrieb.In meinen Jahren auf See erlebte icheinige Havarien, habe Hunderte von Akten über Schiffsunglücke gesichtet und gelesen, aber nichts davon hat mich so berührt wie dieses kleine Buch, erschienen im Selbstverlag, weil Pitt keinen Verleger dafür fand.

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Bis heute wird die Tragödie der PAMIR heiß diskutiert, immer noch fragen wir uns: war es denn eine Tragödie, ein nicht zu vermeidendes, schicksalhaftes Unglück?
Die Schlussfolgerung aus den Akten muss lauten: „nein“, das Unglück wäre wohl zu vermeiden gewesen,

- wenn die PAMIR in besserem Zustand gewesen wäre. Die PAMIR war seit 1931 für den finnischen Reeder Erikson gefahren, der dafür bekannt war, Geld für Unterhaltsarbeiten möglichst zu sparen, und während des Krieges als Prise unter neuseeländischer Flagge, wo man ebenfalls weder Geld noch Zeit für den Unterhalt des Schiffes aufwendete. Tatsache ist, dass bereits im April 1952 ein „Außenhautriss repariert“ werden musste. So steht es in den Akten des Seeamts. Über den Zustand des Schiffes im Jahr 1957 sagt ein im Staatsarchiv Bremen aufbewahrtes internes Memo der Korrespondenzreederei Zerssen vom 25. Februar 1957, verfasst von Kapitän Dominik, dem Verantwortlichen für die PAMIR und die PASSAT, vieles. Dort heißt es: „Das Hochdeck leckt an den verschiedensten Stellen stark. Teilweise gehen die Decksplanken bei Regen direkt hoch. Grund: Das unter dem Holzdeck liegende Stahldeck ist sehr stark korrodiert, und das Holzdeck selbst ist von unten wegen der stets unter dem Holz stehenden Feuchtigkeit stark angegangen, so dass durch Einziehen neuer Planken und durch Kalfatern das Deck nicht mehr dichtzubekommen ist. Wegen der sehr hohen Kosten wurde bei den Klassearbeiten von der Erneuerung des Hochdecks Abstand genommen. Wie der Bericht des Kapitäns zeigt, wird diese Arbeit jetzt aber anscheinend akut.“ Ob der Rumpf der PAMIR in diesemZustand wirklich noch stabil genug war, um den Belastungen in einem Hurrikan zu widerstehen, das ist eine Frage, die die Untersuchung des Seeamts Lübeck nicht beantworten konnte oder wollte.

- wenn für die PAMIR Offiziere und Mannschaften mit ausreichender Erfahrung auf frachtfahrenden Segelschiffen zu bekommen gewesen wären. Kapitän Johannes Diebitsch, der den Stammkapitän Eggers wegen dessen Erkrankung auf dieser Reise vertrat, war nur 1,5 Jahre als Dritter Offizier auf fracht-fahrenden Großseglern gefahren und das lag schon 35 Jahre zurück. Der Bootsmann, auf einem Segelschiff der wichtigste Mann an Deck, war schon 68 Jahre alt und krank. Das Problem war bekannt, denn bereits als die„Stiftung Pamir und Passat“ gegründet wurde, hatte der Inspektor der Reederei Laeisz, Kapitän Hermann Piening, der selbst viele Jahre lang Frachtsegler geführt hatte - unter anderem die PEKING und die PADUA, die Teilnahme an diesem Projekt mit der Begründung abgelehnt, dass genügend erfahrene Leute für Großsegler heute nicht mehr zu bekommen seien. Die mangelnde Erfahrung des Kapitäns mit fracht-fahrenden Segelschiffen gab das Seeamt in seinem Spruch als eine der Hauptursachen für den Unfall an. In wieweit diese Schuldzuweisung gerecht ist, ist eine andere Frage, denn der Kapitän wurde schließlich von der Stiftung angestellt, wo sein Lebenslauf bekannt war.

- wenn die Ladung fachmännisch gestaut gewesen wäre. Die PAMIR fuhr auf ihrer letzten Reise lose geladene Gerste, die sich wegen der glatten Körner bewegt wie Wasser. Im Ladehafen hatten die Stauer gestreikt, weshalb dasSchiff von der Mannschaft und von Soldaten beladen wurde. Ob die Ladung erst überging, als sich die PAMIR wegen eines durch den heftigen Seegang verursachten Lecks im Rumpf auf die Seite legte, oder ob der Übergang der Ladung das Kentern verursachte, darüber streiten sich bis heute die Geister.

Uns, die wir nicht dabei waren als die PAMIR im aufgewühlten Atlantik versank, steht es nicht zu,ein Urteil über die Handlungen der Menschen an Bord und an Land zu fällen.

Unsere Aufgabe ist es, der Toten zu gedenken und, sollten wir selbst in deren Schuhen stehen - auf dem Deck eines Schiffes oder an Land, nie zu vergessen, dass die See keine Nachlässigkeit und keinen Fehler verzeiht.

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Autor und Fotos, sofern nicht anders genannt: Christine Hieber